»Auf ein Wort« - von Diakon Christoph Glaser
Liebe Leserinnen und Leser,
täglich hören und sehen wir Nachrichten:
Klimaerwärmung, Starkregen mit Hagel vor der Haustür, Bauern klagen über zu große Trockenheit und dadurch bedingt geringere Ernten, lange Hitzeperioden (nicht nur) im Süden Europas, Hungersnöte in vielen Teilen der Welt. Manchmal wird mir davon ganz schwindelig und ich möchte wegschauen, nichts mehr von all dem hören.
Auch das aktuelle Misereor-Hungertuch zielt mitten hinein in die großen Krisen und Herausforderungen unserer Tage.
© Emeka Udemba / Misereor, Fastenaktion Misereor
Sie sehen das Bild auf der Vorderseite unseres Pfarrbriefs. Das farbenstarke Bild des nigerianischen Künstlers Emeka Udemba trägt den Titel „Was ist uns heilig?“ und ist als Collage aus vielen ausgerissenen
Zeitungsschnipseln aufgebaut: Nachrichten, Infos, Fakten, Fakes. Schicht um Schicht reißt und klebt der Künstler diese Einzelteile und komponiert aus ihnen etwas Neues.
In den warm roten Raum greifen vier Arme: Form und Farbe nach gehören sie zu Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben. Ihre Hände berühren gemeinsam sachte die Erdkugel, lassen ihr aber auch Spielraum. Wahrhaftig eine zerrissene Welt, verwundet und brüchig.
Noch gehalten oder schon preisgegeben?
Bewegt sie sich?
Wird sie kippen wie unser Klima?
Biblisch gesprochen vertraut Gott uns die Schöpfung an (Genesis 1 und 2). Sie ist Gabe und Aufgabe. Sie ist Geschenk, in unsere Verantwortung gelegt. Wir halten sie in unseren Händen als Schwarze und Weiße, weibliche und männliche, junge und alte Abbilder Gottes.
„Das kostet die Welt“ lesen wir auf einem der Schnipsel. Der wahre Preis der Zerstörung ist höher als der, den wir an der Supermarktkasse zahlen. Deshalb fragt Misereor mit diesem Hungertuch und lädt uns zum nachdenken ein:
Was ist uns heilig?
Was tasten wir nicht an?
Was ist uns das Leben wert?
Hören wir noch Gottes Stimme in unseren Mitgeschöpfen sprechen?
Wie können wir einen Beitrag leisten, damit unsere Welt heil bleibt und wir das Heilige, das, was nicht verfügbar und bepreisbar ist, wieder (mehr) respektieren?
Unter den vielen verstörenden Nachrichten in einem Haufen alter Zeitungsschnipsel sind auch manche, die Mut machen:
„Neubeginn“, „vom Anfang“ oder „wo Menschen sich wohlfühlen“ und „Farbe bekennen“. Der Künstler klebt sie wie bunte, tröstende Pflaster auf die Wunden der Schöpfung.
Wir brauchen Menschen, die Lust auf diese Veränderungen haben und sie mit Leidenschaft vorantreiben. Menschen, die Verantwortung übernehmen, weil wir die erste Generation sind, die das ganze Ausmaß der Krise überblicken und die letzte, die sie wird aufhalten können.
Was ist uns heilig?
So ist das Hungertuch die Aufforderung zur Einmischung, die Einladung, Teil der fort-währenden „Schöpfungs-Erzählungen“ zu sein.
Die österliche Buß- oder Fastenzeit ist für uns Christen die Zeit, in der wir eingeladen sind, umzukehren und für das gute Leben aller Menschen aufzustehen.
Was mir Mut macht sind die vielen Aktionen, die es schon gibt: Da sind z.B. die Menschen im Iran und in Afghanistan, die für Menschenwürde, Frauen, Freiheit und Arbeit aufstehen. Da ist die Bewegung „Fridays for future“ oder die Mädchen, die auf den Philippinen den Strand von Plastikmüll befreien.
Solange es solche Initiativen und mutige Aufbrüche gibt, ist die Hoffnung nach einem neuen, gerechten Gesicht der Erde nicht totzukriegen.
Aus Afrika kommt ein Sprichwort, das sagt: „Wenn viele kleine Menschen an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte gehen, werden sie das Angesicht der Erde verändern“.
Wir haben es in der Hand!
Ihr Diakon
Christoph Glaser