Wort zum Sonntag - 06.10.2024 - P. Markus Reis, Pfarrer
Wort zum Sonntag
06.10.2024
„Schon wieder ist ein Sommer - gerauscht ins Meer der Zeit …“
So beginnt im Münnerstädter Heimatspiel das Dankgedicht der jungen Schnitterin „am frohen Ernte-Fest“, das allerdings im Kanonendonner der Schweden jäh in Angstschreie und Schrecken umschlägt. Letztlich geht es im Heimatspiel gut aus: Die Stadt wird auf wundersame Weise durch die Gottesmutter gerettet - und zum Dank gelobt die Bürgerschaft ihr zu Ehren einen Feiertag „für jetzt und allezeit“.
Danken, wenn es gut ausgegangen ist, das ist angebracht und naheliegend. Das ist auch leicht.
Und wenn nicht? Wenn die Obsternte heuer 50 % unter dem Durchschnitt liegt? Ich hab einen Obstbauern nach seinem Ertrag gefragt, und er hat da nicht widersprochen.
Fällt dann Erntedank aus? Oder dankt man, weil man nach den Mühen und der ganzen Arbeit des Jahres endlich die Ernte eingefahren hat und alles geschafft hat, zwar müde, aber stolz auf die eigene Leistung? Wem gilt der Dank?
Und die Arbeiterinnen und Arbeiter bei Preh in Neustadt, bei Bosch Rexroth in Lohr, bei ZF in Schweinfurt, die Angst um ihre Arbeitsplätze haben, was machen die an Erntedank? Ich kann gut verstehen, wenn ihnen nicht nach frohem Danken zu Mute ist.
Ganz zu schweigen von den Menschen in der Ukraine, in Palästina, deren Leben täglich bedroht ist…
Und was ist gar mit denen, deren Welt zusammen gebrochen ist, weil der Familienvater durch den Tod herausgerissen wurde aus ihrer Mitte?
Wem danken die an Erntedank, und wofür?
Ich glaube, es geht an Erntedank, überhaupt beim Danken, um eine Lebenseinstellung; eine Lebenseinstellung, die tiefer ist als das aktuelle Geschehen. Der Liedermacher Hermann van Veen hat vor Jahren gesungen: „Alles, was ich habe, hab ich von einem andern.“ Es geht um die Erkenntnis, dass wir uns und unser Leben verdanken, anderen verdanken, einem anderen verdanken (wobei ich nicht weiß, ob diese Haltung noch als ,„zeitgemäß“ gilt, da der Wert eines Menschen immer mehr nur noch von seiner Leistung her beurteilt wird.) Aber diese Erkenntnis „Ich verdanke mich einem anderen“ - die könnte unser Herz weit machen. Denn was gibt es schöneres, als im Herzen Dankbarkeit zu spüren, nicht für Leistung, nicht als Pflicht, sondern als Weite.
Der Obstbauer fuhr dann fort: „Weißt du, meine Frau und ich, uns sind in jedem Jahr so viele Früchte geschenkt worden, dass es immer gereicht hat. Im Rückblick hat es immer gereicht. Dafür bin ich Gott dankbar.“
Das ist Erntedank. Ich wünsche Ihnen ein weites, dankbares Herz.
P. Markus Reis OSA,
Pfarrer in Münnerstadt