header

Bremse gegen den Rechtsruck – eine Art Parabel

 

„Kleines Sandkorn Hoffnung, mir umsonst geschenkt:

werde ich dich streuen, dass du manchmal bremst,

dass du wirst zum Grunde, der uns halten lässt.

Neues wird mit allen, allen, die in Zwängen sind.“

So heißt es in einem neueren geistlichen Lied und in einer Zeit wachsenden Rechtsradikalismus möchte ich auf ein solches bremsendes Sandkorn, einer vergessenen Person der jüngeren Geschichte aufmerksam machen: Pater Franz Reinisch, Pallottinerpater und Österreicher. Er erlebte auch wie wir heute einen wachsenden Rechtsruck der damaligen Gesellschaft in den beginnenden dreißiger Jahren. Da er auch juristisch geschult war, durchschaute er bald die Unrechtmäßigkeiten der Rechten und rief schon 1934 nach dem „Röhmputsch“ aus, dass die Nazis eine „Verbrecherbande“ seien.

Der gutaussehende Priester „bremste“ immer wieder gegen Rechts öffentlich und im privaten. Einige Monate nach der Reichskristallnacht 1938 sagte er über das „Judenvolk“ bei einer Rede in Mannheim: „Es muss ihm die christliche Nächstenliebe gespendet werden; wenigstens die allgemeinen Menschenrechte müssen auch ihm gegenüber gewahrt bleiben.“ Er „bremste“ vor allem auch 1939 und 1940, als der Rechtsruck in einen Krieg mündete.

Er kritisierte die braune, rechtsradikale Gesellschaft auch in unserer Heimat Unterfranken, in dem kleinen Spessartdorf Breitenbrunn, wo er als Priester Einkehrtage hielt. Das sagte mir 1999 die Reinisch-Zeit-Zeugin Elisabeth Eckert aus Breitenbrunn. Das Bremsen gegen Rechts ging weiter bis zu zwei Vorträgen 1940 in Winzeln/Schwaben, von dem das Regime erfuhr. Danach bekam er Rede- und Predigtverbot für das ganze deutsche Reich von der „Gestapo“. Hoffentlich ist dieses damals angstbesetzte Wort unseren Zeitgenossen noch bekannt, es heißt „Geheime Staatspolizei“. Es war ein Versuch den kritischen Bremser Reinisch aus dem Verkehr zu ziehen. Er wurde auch danach etwas ruhiger und zurückhaltender mit seiner Kritik, aber sein Gewissen ließ es nicht zu, mit dem Bremsen aufzuhören, ja das Bremsen und Hemmen des Nazismus wurde mit der Zeit doch noch stärker.

Aus der einfachen Trommelbremse wurde eine Scheibenbremse, die in der Regel auch schnelle Sportwägen und schwere Limousinen abbremsen kann. Reinisch bekam 1941 den Bereitschaftsbefehl für die Wehrmacht, er sollte Soldat werden, also Kämpfer für das nationalsozialistische Regime. Das konnte die „Scheibenbremse“ Reinisch nicht mitmachen und er verweigerte den Fahneneid auf den Führer Adolf Hitler.

Am 14.4.1942 sollte er sich in der Kaserne von Bad Kissingen/Unterfranken melden, aber er kam bewusst erst einen Tag später um damit schon seine radikal ablehnende Haltung zum Ausdruck zu bringen. „Sie scheinen wohl keinen Wert darauf zu legen, Soldat zu werden“, fuhr ihn der Feldwebel an. Der „Bremser“ antwortete: „Ich würde dann Wert darauf legen, wenn ich einem andern Regime zu dienen hätte.“ In Würzburg, in der Zellerau/ Sedanstrasse 9, bei der ersten kriegsgerichtlichen Vernehmung am 22. April 1942 kamen dem katholischen Kriegsgerichtsrat Dr. Georg Oehrlein sogar die Tränen, aber er konnte Reinisch nicht vom Bremsen gegen Rechts abhalten. Der Katholik Oehrlein musste den Fall nach Berlin weitergeben, so leid es ihm tat.

Auch bei der Gerichtsverhandlung vor dem Reichskriegsgericht in Berlin-Charlottenburg fiel er den Nazis in die Speichen. Seine Mitbrüder der Gemeinschaft der Pallottiner, die negative Konsequenzen von Seiten des Regimes fürchteten, versuchten ihn zur Eidesleistung zu bewegen. Aber er blieb hart wie Granit oder „unverrückbar wie die Berge der Heimat“, wie es im Lebensmotto des Tirolers Reinisch hieß. So kam es am 7. Juli zum Todesurteil wegen Wehrkraftzersetzung. Die „Scheibenbremse“ sollte also vollends zerstört und ausradiert werden. Reinisch wurde am 21.8.1942 in den frühen Morgenstunden im Zuchthaus Brandenburg-Görden enthauptet und danach die Leiche sogar verbrannt. Aus der hoch gewachsenen „Scheibenbremse“ Reinisch von 1,92 Meter wurde nur ein Häuflein Asche. Aber er hatte versucht zu bremsen.

Er sagte im Juli/August 1942: „Sooft ich auch mein Gewissen überprüfe, ich kann zu keinem anderen Urteil kommen. Und gegen mein Gewissen kann und will ich mit Gottes Gnade nicht handeln. Ich kann als Christ und Österreicher einem Mann wie Hitler niemals den Eid der Treue leisten (...) Es muss Menschen geben, die gegen den Missbrauch der Autorität protestieren; und ich fühle mich berufen zu diesem Protest.“ Die Kraft und Energie zum Bremsen gab ihm sein Gewissen und sein Glaube. Der „Bremserkollege“ Dietrich Bonhoeffer schrieb damals: „Wenn ein Wahnsinniger mit dem Auto durch die Straßen rast, kann ich als Pastor, der dabei ist, nicht nur die Überfahrenen trösten und beerdigen, sondern ich muss dazwischen springen und ihn stoppen.“ Oder an anderer Stelle sagte der evangelische Theologe: „Es kann die Zeit kommen, dass die Kirche nicht nur diejenigen verbinden und heilen muss, die unter dem Rad zermalmt wurden, sondern in der sie selbst dem Rad in die Speichen greifen muss.“

Reinisch bremst heute noch Menschen, die nach Rechts ab zu driften drohen. Jeder Mensch steht in der Gefahr zum „Rechten“ zu werden. Leider war der Bremser Reinisch 1942 zur Zeit der größten Macht der Nazis voll überfordert und konnte den auf die Mauer „Zusammenbruch“ zusteuernden Wagen nicht mehr aufhalten, aber er konnte nur bremsen und er muss auch heute und in Zukunft bremsen. Beispielsweise eine ältere Frau, einer verkappten Nationalsozialistin, die nach einer Predigt von mir über Reinisch in Höchberg bei Würzburg 1999 in ihrer Verblendung behauptete, Hitler wäre der Martyrer gewesen und nicht Reinisch.

Wenn man auf ein solches Widerstandsleben schaut, das hier nur in kurzen, groben Strichen gezeichnet werden kann, dann stellt sich eine Frage: Was stand im Mittelpunkt des Lebens von Reinisch, was gab ihm die Motivation für dieses leider tödliche Bremsen?

Die Antwort geben vielleicht zwei seiner letzten schriftlichen Zeugnisse, im Gefängnis mit gefesselten Händen auf Zettelchen gekritzelt: „Gerade in dieser Stadt Berlin darf ich zur Fackel der Liebe und des Friedens werden, die nun in die Welt hinausgeschleudert wird, um ein Flammenmeer der Herz-Jesu- und Herz-Marien-Liebe zu entfachen.“ „Lieben und Leiden in Freuden - F. Reinisch.“ Der Grund seines Bremsens war die Liebe.

 

Copyright by Franz-Josef Tremer, Dipl. Theol. Univ

Am Sportplatz 12

97727 Fuchsstadt

09732/785115

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

(die Zitate von Reinisch und Bonhoeffer sind alle historisch sicher belegbar in den Quellen und Schriften)

 

 

 

­